Bei den Bremer Stadtmusikanten hat jedermann sogleich die Tierpyramide vor Augen – eine Kernszene aus dem Grimmschen Märchen Nr. 27, die auch Gerhard Marcks 1953 für seine bekannte Skulptur vor dem Bremer Rathaus umsetzte. Dieser erhielt seinen Auftrag vom örtlichen Verkehrsverein und inzwischen hat die Tiergruppe auch als Mittelpunkt der Markenarchitektur das alte Schlüsselwappen der Hansestadt verdrängt. Eine ihrer Variationen steht in Bremens Partnerstadt Riga.
Wahrzeichen der Stadt
Dass die Bremer Stadtmusikanten neben dem Roland zum Wahrzeichen der Stadt werden konnten, ist insofern kurios, als die couragierten Tiere ja Bremen niemals erreicht haben und es ihnen in etwa so erging wie den beiden Ameisen von Joachim Ringelnatz, deren Tour von Hamburg nach Australien „bei Altona, auf der Chaussee“ endete, denn „da taten ihnen die Beine weh, / und da verzichteten sie weise / dann auf den letzten Teil der Reise.“
Etwas Besseres als den Tod...
Dabei ist die Ausgangslage der Tiere dramatisch schlecht und kulminiert in der Ermunterung des Esels „etwas Besseres als den Todfindest du überall”, den auch Carl Zuckmayer seinem Hauptmann von Köpenick, einem anderen Outcast, 1930 in den Mund legt.
Vermeintliche Volkspoesie
Die Brüder Grimm geben „zwei Erzählungen aus dem Paderbörnischen“ als Quelle an, gemeint ist die Familie von Haxthausen, Verwandten der Annette von Droste-Hülshoff. Wie sie denn überhaupt für ihre Sammlung Vorlagen in der Hochliteratur und Zuschriften gebildeter Damen aus ihrem Bekanntenkreis als Grundlage nahmen und das Ergebnis als Volkspoesie ausgaben. Die Erstauflage 1812 konnte sich dann auch nicht recht zwischen wissenschaftlichem Werk mit Anmerkungsapparat und Vorlesebuch für ein breites Publikum entscheiden. Die Brüder waren anfänglich nicht zu Kompromissen bereit, Jakob weniger als Wilhelm, der in den Neuauflagen dann seinen unverwechselbaren und für andere Sammler vorbildlichen Märchenton entwickelte.
Besetzungsaktion des Invaliden-Kollektivs
Parodien sind ein untrügliches Zeichen für die Popularität eines Stoffs und so konnte es nicht ausbleiben, dass der Politikwissenschaftler Iring Fetscher 1972 in seinem Märchen-Verwirrbuch zu der Analyse gelangt: „Die Besetzungsaktion des Invaliden-Kollektivs wäre dann eine Episode aus dem Widerstandskampf des armen Volkes gegen die ursprüngliche Akkumulation, wie sie Karl Marx im [...] Kapital 1867 beschrieben hat.“
Die Künstler
Ebenso vergnüglich dürfen wir uns die Darbietung in bairischer Sprache der beiden bekannten Schauspieler Stefan Murr und Heinz-Josef Braun vorstellen. Beide schlüpfen dabei in alle Rollen, von der bösen Müllerin über zwei geschwätzige Wanderratten und dem alten Esel, dem zahnlosen Hund, der verwöhnten Katze und dem italienischen Hahn Eros Gockelotti bis hin zu den Räubern Knurrhax, Ibidumm und Schepperdeppi. Die Szenen werden so quicklebendig, die Tiere singen Lieder, unterhalten und streiten sich, erleben Abenteuer miteinander und kommen schließlich zu einem harmonischen, freundschaftlichen Finale.
Eintritt: 14 Euro.
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Die bayerischen „Bremer“ Stadtmusikanten in München
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